GARETH PUGH + ALEX BOX

Es lebe Britannien! Der gefeierte Avantgarde-Designer und die Makeup-Artistin schauen auf 10 Jahre zurück in denen sie unvergessliche Fashion Momente geschaffen haben

Made for Fashion paart führende Modedesigner mit Makeup-Artisten für ein offenes Gespräch über Kreativität, Kollaborationen und Laufstege

Herbst/Winter 2015 sah man eine willkommene Rückkehr auf dem Terminplan der Londoner Fashion Week - Gareth Pugh war seit 2008 zum ersten Mal zurück in seiner Heimatstadt. Die Show enttäuschte nicht und trug Pughs heutige Signatur aus Drama und Mystik. Die Models waren Krieger in Britannia-inspirierten Outfits, bereit zum Kampf, komplett mit Beefeater-Mützen und Mohikaner-Helmen. Die Ode an die antike Geschichte Englands wurde von einem starken Makeup-Look von Alex Box untermalt - jedes Mädchen hatte das St. Georges-Kreuz über das gesamte Gesicht gezeichnet. Das Ergebnis?

Ein komplett unvergesslicher Fashionmoment. Nicht, dass uns das überraschen sollte. Pugh und Box sind mittlerweile beide Profis was solche Sachen angeht, mit Box als Teil von Pughs langstehendem Team, zu dem auch die Stylistin Katie Shillingford und der Musicalregisseur Mathew Stone gehören. Sie arbeiten seit 10 Jahren für diese speziellen Shows zusammen, seit dem zweiten Laufstegdebüt von Pugh überhaupt im Jahr 2005. Hier sprechen die beiden über ihr Arbeitsverhältnis, geteilten Geist und wie sie mittlerweile eine echte Fashion-Familie sind.

Gareth: Ich erinnere mich an eine Unterhaltung mit [Stylist und Lady Gaga Mitarbeiter] Nicola Formichetti nach meiner ersten Show mit Fashion East und wir redeten darüber wer das Makeup für meine zweite Show machen würde. Nicola erwähnte dieses großartige Mädchen, das all diese seltsamen und wundervollen Sachen machte. Es stellte sich heraus, dass das Alex war.

Alex: Ich hatte mit Nicola bereits ein bisschen für Dazed & Confused zusammengearbeitet. Er war auch dabei sich dort zurechtzufinden und es war eine der ersten Shows, die er gestylt hat. Rückblickend war es so eine zur rechten Zeit am rechten Ort Geschichte, aber Nicola ist sehr gut im Verkuppeln. Das ist eine seiner Stärken - uns zusammen zu tun hat einfach nur komplett Sinn gemacht. Unsere Sensibilität und Ästhetik, ohne den gleichen Einflüssen ausgesetzt zu sein, passen sehr gut zusammen. Das fühle ich bei Gareth wenn wir zusammen arbeiten. Außerdem ist da sehr viel Vertrauen und das kommt wahrscheinlich von all der Zeit, die wir schon zusammen verbracht haben. Ich vertraue darauf wohin er mich mitnimmt und ich denke er vertraut mir auch.

Gareth: Alex kann einen sehr schönen, edlen Look schminken, aber im selben Atemzug auch etwas komplett Bizarres tun. Deshalb habe ich das Gefühl, das hier eine großartige Synergie besteht. Ich liebe es zwei Gegensätze, scheinbar unterschiedliche Elemente zu kombinieren - die Spannung, die kreiert wird, kann elektrisierend sein. In dieser Hinsicht sind wir verwandte Seelen.

Alex: Mir ist es wichtig auf das Mädchen zu reagieren. Wenn etwas an einem Mädchen nicht funktioniert, verändere ich es so, dass es ihr steht, weil ich immer ihren Geist durch das Makeup spüren will. Das gilt für jedes Makeup, das ich mache. Ich will nie das Gefühl haben einen Durchschnitt zu machen.

"Ich sehe das was ich mache immer als Rüstung und Makeup ist ein Teil davon, die einen Schutz zwischen dir und der Welt schafft." - Gareth Pugh

Gareth: Ich erinnere mich an SS13, wir haben gerade einen Durchlauf der Show gemacht, als Alex mich und Katie packte und uns diese glitzernde Träne zeigte, die sie an einem der Mädchen ausprobiert hatte. Es war nur eine winzige Abwandlung, die wir nicht geplant hatten, aber sie änderte die Dynamik der Show komplett. Wir hatten diesen unglaublich schwermütigen Track - eine Rohversion a Kapella von Roy Orbisons "Crying" auf Spanisch - und während der Show veränderte sich das Wetter dramatisch, mit Regen, der auf das Glasdach des Palais de Tokyo herabprasselte. Das war so ein intensiver Moment und die Träne war ein feiner, aber wesentlicher Teil davon.

Alex: Das Gefühl der Sicherheit zu haben ist wirklich angenehm. Ideen vorschlagen zu können, ohne Angst vor einer Kommission. Und das Gareth offen dafür ist. Viele Designer wären das nicht. Viele Menschen wollen etwas in der Tasche haben und der Prozess ist nicht so fließend. Ich habe letztens auf diese erste Fashion East Show zurückgeschaut und es ist lustig, die Aufregung und die Emotionen sind immer noch da - Ich bin immer noch unglaublich gespannt zu sehen was du tun wirst. Ich bin da sehr beschützend und stolz. Ich habe das Gefühl es ist Familie, wie als wäre da ein kollektives Bewusstsein.

Gareth: Genau. Und dieses Gefühl war dieses Mal in der Kollektion. Ich habe über die Idee nachgedacht, sich selbst für etwas Größeres zu opfern, als zeremonieller Akt. Es gibt viele Motive die beinhalten die eigene Identität abzulegen und sich etwas Tumultartigem zu verschreiben, das über jeden Einzelnen hinausgeht, hin zur Gruppenmentalität. Der Eindruck der Show ist ziemlich aggressiv, aber was ich an dem Wort aggressiv nicht mag, ist, dass es einen Gemütszustand impliziert, der pausiert werden kann, während ich einen Zustand des Seins vor Augen habe. Es geht nicht darum für einen Moment aggressiv zu sein, es unterliegt allem. Das Makeup ist ein grundlegender Teil davon, tatsächlich vielleicht sogar mehr als jemals zuvor.

Alex: Es geht darum wie man sich für eine Schlacht bereit machen würde - ehrfürchtig, aber auch brutal. Die bewusste Grausamkeit des Zeichens ist ein sehr mächtiges Statement. Es hat nichts Ätherisches, es ist als würdest du jemandem ins Gesicht schreien.

Gareth: Das mag ich an Makeup. Ich sehe das was ich mache immer als Rüstung und Makeup ist ein Teil davon, die einen Schutz zwischen dir und der Welt schafft. Das sagt Alex immer…

Alex: Was sag ich? Achja, das es bei Makeup darum geht zu verdecken oder zu offenbaren. Es ist die Macht zu verändern wer du bist.

Gareth: Und das ist was wir mit unserer Mode machen. Es ist Veränderung und Fantasie und diese Wirklichkeitsflucht liegt auch im Makeup.